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2023_IKB_Topthemen_Klimaschutz_Hofmann

„Mit Strom bin ich viel effizienter“

Die Energiezukunft Tirols baut auf lokalen Ressourcen auf. Strom werde eine deutlich größere Rolle spielen als heute, erklärt IKB-Nachhaltigkeitsbeirätin Angela Hofmann.

Tirol verfolgt das Ziel, bis 2050 energieautonom zu werden. Was bedeutet das genau und warum ist es erstrebenswert?

Dr.in Angela Hofmann: Mittlerweile braucht man nicht mehr darüber zu diskutieren, dass fossile Energie aufgrund des Klimawandels nicht mehr zeitgemäß ist und wir auf erneuerbare Energieträger setzen müssen. Eine Möglichkeit wäre nun Energieautarkie. Das würde bedeuten, dass wir in jeder Sekunde genau die Menge an erneuerbarer Energie erzeugen, die wir benötigen. Allerdings ist ein kleines, abgeschlossenes Energiesystem, wie es Tirol wäre, extrem teuer. Daher streben wir Energieautonomie an. Das bedeutet, dass wir über das Jahr hinweg mit heimischen Ressourcen jene Menge an Energie erzeugen wollen, die wir innerhalb dieses Jahres auch benötigen. Und wenn wir zum Beispiel eine Zeitlang zu viel Strom aus Wasserkraft erzeugen, dann exportieren wir ihn. Wenn zum Beispiel in Deutschland zu viel Strom aus Windkraft erzeugt wird und wir gerade einen Bedarf haben, liefern sie ihn zu uns. Dadurch bleibt der Großteil der Wertschöpfung im Inland, was eine riesige Motivation für Energieautonomie sein sollte. Gleichzeitig ist das System durch den Austausch im europäischen Kontext relativ kostengünstig.

Dr.in Angela Hofmann

Foto © MCI / Anna Geisler
Dr. Angela Hofmann ist FH-Professorin für Verfahrens- und Energietechnik am Management Center Innsbruck (MCI) und leitet das Josef Ressel Center. Die promovierte Verfahrenstechnikerin engagiert sich im Nachhaltigkeitsbeirat der IKB. Der Beirat berät seit 2022 den IKB-Vorstand bzw. das IKB-Nachhaltigkeitsmanagement.

Was ist zu tun, damit Tirol energieautonom wird?

Hofmann: Das Wichtigste ist der Ausbau der Strominfrastruktur. Denn die Defossilierung geht mit einer Elektrifizierung Hand in Hand. Flüssige Energieträger wie Kraftstoffe für die Mobilität oder auch Erdgas in der Industrie müssen durch Strom ersetzt werden. Dafür muss nicht nur die Stromerzeugung aus Wasserkraft, Wind und Photovoltaik ausgebaut werden, sondern auch die Infrastruktur, also Übertragungsleitungen und für den Verkehr die Ladeinfrastruktur. Essenziell ist auch die Kommunikation über diese Vorhaben, um in der Bevölkerung Verständnis zu schaffen für das, was zu tun ist.

Warum ist die Energiewende eine Wende zu mehr Strom?

Hofmann: Wenn ich fossile Energieträger, also Erdgas und Flüssigkraftstoffe, aus erneuerbarem Strom synthetisch herstellen würde, wäre dafür sehr viel Energie notwendig. Auf Strom umzusteigen ist viel effizienter.

Wie werden sich der Energie- und im Besonderen der Strombedarf in Zukunft entwickeln?

Hofmann: Unser Zielszenario für 2050 sieht vor, dass sich der Energiebedarf im Vergleich zum Basisjahr 2016 um 37 Prozent reduzieren wird. Aufgrund der Elektrifizierung benötigen wir jedoch deutlich mehr Strom, daher soll die Stromerzeugung um 40 Prozent zunehmen.

Wie soll die Reduktion des Energiebedarfs gelingen?

Hofmann: Indem ich mit Strom einen höheren Wirkungsgrad habe, also effizienter bin. Zum Beispiel in der Mobilität: Wenn ich ein Fahrzeug mit Benzin oder Diesel betreibe, dann werden nur 20 bis 30 Prozent des Energieinhalts verwendet, um von A nach B zu kommen. Der Rest geht als Wärme verloren. Diese Technologie ist also furchtbar ineffizient. Mit einem Stromantrieb werden 80 Prozent für die eigentliche Mobilität verwendet. Für elektrische Mobilität benötigen wir daher weniger Energie, aber natürlich mehr Strom.

Wie sieht das in anderen Bereichen aus?

Hofmann: Im Bereich der Gebäude geht es vor allem um Sanierung und Dämmung sowie um eine vernünftige Architektur, beispielsweise mehr Verschattung statt Glasfassaden. Über die Gebäudesubstanz kann ich den Heizwärme- und Kühlbedarf stark reduzieren. Den geringen restlichen Energiebedarf kann ich dann gut mit einer Photovoltaikanlage und einer Wärmepumpe oder einer Holzheizung abdecken – also mit lokalen Ressourcen. Im dicht verbauten städtischen Bereich, wo ich vielleicht nicht so gut sanieren kann, wird es Nah- und Fernwärmenetze geben, die an Biomasseheizungen angebunden sind, oder auch Großwärmepumpen.

Wie sieht die Zukunft in der Industrie aus?

Hofmann: Die Industrie ist von Haus aus ganz stark dem Effizienzgedanken verhaftet. Sie ist quasi ständig am Rechnen, um Dinge billiger bewerkstelligen zu können. Im Gegensatz dazu kennt ein Privathaushalt ja oft nicht einmal seinen genauen Energieverbrauch. Bei der Kostenreduktion durch effizienten Energieeinsatz ist die Industrie also schon sehr weit. Das große Thema in Zukunft wird die Defossilierung sein. Mehr als die Hälfte der industriellen Prozesse, die jetzt mit Erdgas betrieben werden, könnten heute schon, rein technisch gesehen, auf Strom umgestellt werden. Das ist eine reine Preisfrage. Bei den restlichen Prozessen ist es technisch schwieriger. Da braucht es weitere technologische Entwicklungen. Zum Teil werden hier auch synthetische Gase wie Wasserstoff nötig sein. Es gibt Prozesse, die nicht mit Strom funktionieren, sondern für die ich zum Beispiel eine Flamme benötige.

Wasserkraft wird in Tirol auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Wasserkraftwerke erzeugen jedoch im Sommer deutlich mehr Strom als im Winter, während im Winter der Bedarf größer ist. Wie lässt sich dieses Problem lösen?

Hofmann: Zum einen über den grenzüberschreitenden Austausch, zum anderen über Speicher. Dafür bieten sich Pumpspeicherwerke an. Auch Holz kann gut gelagert, also gespeichert werden. Biomassekraftwerke, die Bedarfsspitzen abdecken, sind daher auch ein Baustein. Wir werden auch überschüssigen Strom aus volatilen Energiequellen wie Photovoltaik oder Wind verwenden, um synthetische Gase zu erzeugen, also Wasserstoff oder synthetisches Erdgas. Diese Gase kann ich dann im Winter wieder in Strom umwandeln, auch wenn das nicht sehr effizient ist. Eine weitere Möglichkeit sind Großbatterien, da ist der aktuelle Stand der Technik aber noch nicht zufriedenstellend.

Gibt es im Raum Innsbruck noch Potenzial, um erneuerbare Energie auszubauen?

Hofmann: Es gibt noch riesiges Potenzial. Auf Luftaufnahmen sieht man, dass die meisten Dächer noch keine Photovoltaikanlagen haben. Hier kann man also Photovoltaik ausbauen, ohne zusätzlichen Boden versiegeln zu müssen. Auch im Bereich Trinkwasserkraftwerke ist noch ein wenig möglich. Dabei geht es nicht zwingend um den Bau neuer Wasserkraftwerke, sondern auch um laufende Modernisierung bestehender Kraftwerke, um die kostbare Ressource Wasser so effizient und umweltschonend wie möglich zu nutzen. Und in der Wärmeversorgung können wir noch mehr Abwärme, etwa von der Kläranlage oder aus der Industrie, in das Fernwärmenetz einspeisen.

Klar und verständlich

Der Umstieg auf erneuerbare Energie aus Wasser, Wind und Sonne bedeutet auch, dass Strom eine viel größere Rolle in Gesellschaft und Wirtschaft spielen wird. Da mit Strom viele Dinge deutlich effizienter erledigt werden können, wird der gesamte Energiebedarf sinken. Je mehr Energie aus erneuerbaren, lokalen Ressourcen erzeugt werden kann, desto mehr Wertschöpfung bleibt im Land.

Die Energiewende schaffen wir nur gemeinsam

Wie geht es weiter mit der österreichischen Stromversorgung? Eine Vertreterin der E-Wirtschaft, ein Vertreter der Arbeiterkammer und ein IKB-Experte sind sich einig, dass die großen Herausforderungen der Zukunft nur gemeinsam bewältigt werden können.