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Klimakrise und Energieversorgung als soziale Frage
IKB-Nachhaltigkeitsbeirätin Elisabeth Rathgeb ruft dazu auf, die sozialen Auswirkungen von globaler Erwärmung und Energiekrise ernst zu nehmen. Ärmere Bevölkerungsschichten sind von den negativen Effekten stärker betroffen. Sowohl Caritas als auch IKB bemerken, dass die Nachfrage nach Beratung und Unterstützung zunimmt.
Wir diskutieren viel über CO2-Emissionen und andere eher technische Aspekte des Klimawandels. Welche sozialen Auswirkungen der globalen Erwärmung drohen dabei übersehen zu werden?
Mag.a Elisabeth Rathgeb: Für uns als Caritas ist offensichtlich, dass die ärmere Bevölkerungsschicht von den Effekten besonders betroffen ist, zum Beispiel von heißeren Sommern. Diese Menschen leben oft in schlecht isolierten Mietwohnungen, eine Klimaanlage kommt aus Kostengründen meist nicht in Frage. Bei der jüngsten großen Hitzewelle in Frankreich haben wir gesehen, dass verhältnismäßig mehr Menschen aus ärmeren als aus wohlhabenderen Schichten verstorben sind. Wer es sich leisten kann, kauft sich eben ein Kühlgerät oder verbringt die heiße Phase außerhalb der Stadt im Landhaus. Wer sich das nicht leisten kann, leidet unter den gesundheitlichen Folgen.
Mag.a Elisabeth Rathgeb
Wie könnte man diese Situation verbessern?
Rathgeb: Wir müssen in Zukunft stärker darauf achten, wie wir unsere Städte kühlen. Und wir müssen sichere, kühle Räume zur Verfügung stellen, die man aufsuchen kann, wenn die Hitze in der eigenen Wohnung zu krass wird. So wie es umgekehrt in manchen Ländern Wärmestuben gibt für Menschen, die ihre Wohnung in der kalten Jahreszeit nicht ausreichend heizen können. Das Projekt Cool-INN in Innsbruck ist ein Beispiel für so eine Initiative. (Anmerkung: Im Ingenieur-Etzel-Park sorgen Grünflächen und Wassersprühanlagen für ein kühleres Mikroklima.) Wir sollten aber auch die globalen Auswirkungen bedenken. Unsere Partnerländer Mali und Burkina Faso etwa sind ebenfalls massiv vom Klimawandel betroffen. Verstärkte Trockenheit führt hier zu Nahrungsmittelkrisen, was wiederum – und verständlicherweise – zu verstärkter Migration Richtung Europa führt.
Die IKB eröffnete im Frühling 2023 ein zweites Kundencenter, weil immer mehr Menschen Beratung in Sachen Energie benötigen. Die IKB-Energieberatungstage im November stießen ebenfalls auf große Nachfrage. Wie schwierig ist die Situation im Winter für Menschen in Österreich?
Rathgeb: Wenn Menschen am Existenzminimum leben und gerade mal ihre Fixkosten bedienen können, führen höhere Energierechnungen zu großen Problemen. In den vergangenen beiden Jahren kamen auch in die Caritas-Sozialberatung viel mehr Menschen als früher, weil sie mit hohen Nachzahlungen konfrontiert waren. Beim Strom hatten wir in Tirol lange Zeit Glück, da die Preise relativ niedrig waren, zumindest bei manchen Anbieter:innen. Doch die Preissteigerungen beim Gas und sogar bei Pellets waren massiv. Da waren die Zuschüsse von Land und Bund wirklich überlebensnotwendig. (Anmerkung: Hier gibt es Informationen zur Unterstützung bei finanziellen Belastungen.)
Wie sollten Gesellschaft und Politik auf die sozialen Auswirkungen der globalen Erwärmung reagieren?
Rathgeb: In den Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen sind Frauen und Kinder überrepräsentiert. In Österreich leben über 500.000 Frauen und über 300.000 Kinder an oder unter der Armutsgrenze. Das sind gravierend hohe Zahlen. Und wir wissen, dass Armut vererbt wird, es also schwierig ist, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Die Politik muss diese sozialen Probleme in den Fokus nehmen, sonst könnte es Verwerfungen schlimmen Ausmaßes geben, die uns alle betreffen werden. Konkret wünsche ich mir, dass bei jeder klimapolitischen Maßnahme eine Sozialverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird – analog zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Dann sieht man genau, welche sozialen Auswirkungen eine Maßnahme hätte, und kann notfalls gegensteuern. Das wäre ein wichtiger Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und damit zum gesellschaftlichen Frieden.
Klar und verständlich
Ärmere Menschen sind stärker vom Klimawandel betroffen, weil sie sich schlechter vor den negativen Auswirkungen schützen können. Zum Beispiel können sie sich keine Klimaanlage leisten, um heißere Sommer gut zu überstehen. Oder sie leben in schlecht isolierten und schwer beheizbaren Mietwohnungen, was im Winter zu hohen Energiekosten führt. Darauf sollte die Politik Rücksicht nehmen.